Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, …
… dann hätten unsere Schülerinnen und Schüler eine Rot-Rot-Mehrheit gewählt. Und das bei 100 Prozent Wahlbeteiligung! Aber nicht unbedingt repräsentativ!
Doch der Reihe nach: Die Richtlinien und Lehrpläne für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen legen die Aufgaben, Ziele und Inhalte der Bildungs- und Erziehungsarbeit fest. Ein hochrangig gesetztes Ziel ist die Vermittlung demokratischer Werthaltungen und Einstellungen. Das gilt für alle Schulformen der Primar- und Sekundarstufe. Die Richtlinien und Lehrpläne werden somit u.a. ergänzt durch die politische Bildung im Sinne einer Querschnittstruktur. Alle Schulen in Nordrhein-Westfalen sind demnach verpflichtet, politische Bildung im Sinne der Erziehung zur Demokratie in ihren Unterricht einzubeziehen und in ihren schuleigenen Lehrplänen umzusetzen.
Aber wie? Durch Nutzung von Gelegenheiten! So ist die Bundestagswahl 2017 natürlich auch bei unseren Kindern ein wichtiges Thema. Es ist sehr bemerkenswert, dass es viele Kinder gibt, die sich richtig gut auskennen. Wenn man sie fragt, woher sie ihr Wissen haben, lautet die Antwort zumeist „Aus dem Internet“. Aber auch die Meinungsbildung in den Familien spielt hier eine Rolle.
Deshalb spielte das Thema auch im Unterricht eine Rolle, beispielsweise in der Klasse 4c. Die Kinder beschäftigten sich mit ihrer Klassenlehrerin ausführlich mit der Frage, wie Demokratie in unserem Land funktioniert, welche Parteien es gibt und wie man Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler wird. In Anknüpfung an den Sachunterricht als Leitfach in unserer Schule gründeten die Mädchen und Jungen eigene Parteien, verbunden mit der Frage, wie man Wählerinnen und Wähler gewinnt. So entstanden zum Beispiel die Deutsche Delfin-Partei (DDP) oder die Deutsche Robo-Energie-Partei (DREP). Überhaupt spielten der Tierschutz, der Umweltschutz oder technische Innovationen in den Überlegungen der Kinder eine große Rolle, was auf den eigens angefertigten Wahlplakaten eine Rolle spielte. Im Rahmen einer Vollversammlung aller Viertklässlerinnen und Viertklässler wurde zusätzlich Dokumentations- und Filmmaterial der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gesichtet.
Am vergangenen Freitag, zwei Tage vor der Bundestagswahl der Erwachsenen, war es dann soweit. Unsere Viertklässlerinnen und Viertklässler durften wählen, wohl wissend, dass es ein Modellversuch in Sachen Demokratie war. Und dieser war höchst anspruchsvoll. Zunächst einmal ging es darum, sich mit aktuellen politischen Fragen auseinanderzusetzen, die auch im Kinderleben eine Rolle spielen.
Die Grundlage dafür lieferte uns das Kinder- und Jugendmagazin „Dein Spiegel – Einfach mehr wissen“, zu dem wir seit einiger Zeit Kontakt haben, da wir vor einem Jahr den 2. Platz beim von der Zeitschrift ausgelobten Schulgartenwettbewerb „Aufblühen“ belegten und 2.000 Euro gewannen, die in die Erstellung und Ausgestaltung des Gartenhauses der Schülerfirma „Hexenwerk“ flossen. Überhaupt spielt das Studium verschiedenster Kinder- und Jugendmagazine und Websites in unserer Schule eine wichtige Rolle, besonders in den Redaktionssitzungen unseres Schülermagazins Hexenpost.
Die 9 Fragen lauteten:
- Sollen reiche Leute mehr Steuern zahlen müssen?
- Darf jeder, der nach Deutschland geflüchtet ist, seine Familie nachholen?
- Sollen Jugendliche schon ab 16 Jahren bei der Bundestagswahl mitwählen dürfen?
- Sollen Firmen mehr Frauen auf Chefpositionen setzen müssen?
- Soll Deutschland Waffen an andere Länder verkaufen?
- Wenn Mutter und Vater beide weniger arbeiten, um sich um ihre Kinder zu kümmern:
Sollen sie dafür Extra-Geld vom Staat bekommen? - Soll es neben christlichem auch islamischen Religionsunterricht an Schulen geben?
- Soll verboten werden, dass Wildtiere in Deutschland im Zirkus auftreten?
- Soll es mehr Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen geben?
Zu den Fragen erhielten die Kinder Textbausteine, die in Verbindung zu den Wahlprogrammen der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der AfD, der Grünen und der Linken standen. Diese Aussagen galt es in gemischten Klassengruppen zu analysieren und zu diskutieren, kurzum sich eine Meinung zu bilden oder eine schon vorhandene zu bestätigen oder zu revidieren. Hierbei wurden die Kinder von den Lehr- und Fachkräften unterstützt, immer dem Gebot der Neutralität folgend. Indoktrination war ein Tabu.
Dann kam das Beste! Es ging in die Wahlkabine. Diese in aller Verschwiegenheit für sich im großen Schulgarten zu finden war kein Problem. Einzelaufgabe für jedes Kind war es hier, die neun Fragen- und Themenblöcke mit Ja, Nein oder Unentschieden zu belegen und Symbolen zuzuordnen, hinter denen sich, was die Kinder noch nicht wussten, die oben genannten sechs Parteien verbargen.
Dann kam das Allerbeste! Die Kinder erhielten ihren Wahlschein, auf den sie ihre Ministatistik mit Hilfe der Symbole übertragen und die zu ihnen passende Partei ermitteln konnten. Den anonymen Wahlschein durften die Kinder zum Abschluss in die aufgestellten Wahlurnen stecken.
Als Beobachterinnen und Beobachter, Berichterstatterinnen und Berichterstatter und Wahlhelferinnen und Wahlhelfer waren die Kinder der Redaktion des Schülermagazins Hexenpost tätig. Diese kommen fast alle aus den 3. Klassen. Sie werteten das Wahlergebnis am Freitagnachmittag aus und erstellten dazu eine Übersicht, die sie im Foyer unserer Schule präsentierten.
Und das Ergebnis? Wie gesagt, nicht repräsentativ:
33,6 %: SPD
29,6 %: Die Linke
15,2 %: Die Grünen
10,4 %: CDU/CSU
5,6 %: FDP
5,6 %: AfD
Das Fazit: Es war außerordentlich erstaunlich, mit welch großem Interesse die Mädchen und Jungen, und zwar ohne Ausnahme, an das Thema herangingen, diskutierten, Meinungen bildeten und schlussendlich zur Wahl schritten. Etliche nahmen sich vor, noch vor der eigentlichen Bundestagswahl mit ihren Eltern zu diskutieren. Von Politikverdrossenheit keine Spur!